Julia Belot. Ein Blick ins Paradies

Einführungsrede von Dr. Gabriele Rasch zur
Ausstellungseröffnung in der Galerie Mainzer Kunst!
am 17.01.2009.

„Das Leben ist ein Paradies, und alle sind wir im Paradiese, wir wollen es nur nicht wahrhaben; wenn wir es aber wahrhaben wollten, so würden wir morgen im Paradiese sein.“ (Fjodor Dostojewski. Die Brüder Karamasov)

Julia Belot traut sich dieses Paradies zu sehen. Saftige Wiesen, Wälder und Blumen mit kindlichen Bewohnern und märchenhaften Tieren bevölkern ihre Bilder. Ist das schön werden die einen sagen, zu lieblich, kitschig die anderen. Mit beiden Äußerungen wird man Julia Belots Arbeiten nicht gerecht. Sicherlich bewegt sie sich mit ihrer Malerei abseits der gängigen Pfade. Vergeblich sucht das kritische Auge nach Brüchen und Abgründen, wie sie derzeit in der gegenständlichen Malerei aus Leipzig und Dresden zu finden sind. Aber darum geht es Julia Belot auch gar nicht. Sie will mit ihrer Kunst keine heimlichen Botschaften oder versteckte Kritik transportieren. Sie will nicht provozieren und tut es auf eine unbeabsichtigte Weise vielleicht doch, wenn Sie über ihre Motivation ganz schlicht sagt: Ich male aus Zuneigung. Ein Statement, welches durch seine Einfachheit und Ehrlichkeit durchaus provozieren kann – in einer Zeit, in der scheinbar alles und jedes hinterfragt und analysiert werden muss, um sich gegen den Vorwurf der Banalität zu wehren. Julia Belot so scheint es, hat sich etwas Besonderes bewahrt, nämlich die Gabe die Schönheit und Einzigartigkeit eines Augenblicks wahrzunehmen und auf Leinwand zu bannen.

Arglos und mitfühlend nähert sie sich der Natur, beobachtet genau, nimmt Kontakt zu Tier und Mensch auf. Das heißt, sie trifft sich ganz wirklich mit Pfau, Wolf, Rabe oder Bär in der Fasanerie und spricht mit ihnen bis sie Zutrauen fassen. Diese persönliche Beziehung, die Zuneigung zu Mensch und Tier spricht aus ihren Arbeiten. Nie steht das wissenschaftliche Interesse als studierte Biologin im Vordergrund, sondern viel mehr die Lebendigkeit, das Wesen, die Persönlichkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen. Wohl wissend, dass kein Farbpigment, keine Darstellungstechnik der Schönheit der Natur gerecht werden kann sucht sie nach eigenen Mitteln, um diese darzustellen. Die Suche begann mit dem Studium an der Kunstakademie in St. Petersburg. Hier hieß es noch streng akademisch nach dem Modell arbeiten. Für Spontanität und Lebendigkeit gab es keinen Raum. Den findet sie erst später in der direkten Beobachtung der Natur. Man könnte fast meinen, Julia Belot wäre den Weg der Impressionisten des 19. Jahrhunderts noch einmal gegangen mit der Abkehr von der starren, akademischen Lehre hin zur Freiluftmalerei.

Die Farbe entdeckt sie erst 2005 durch das intensive Licht am Mittelmeer auch das ein klassisches Künstlererlebnis. Nach dem Urlaub an der ligurischen Küste scheinen die Farben erstmals zu explodieren. Kräftige Blau- und Grüntöne beherrschen die Hafenszenerien im oberen Stockwerk. Sie stellen einen wichtigen Wendepunkt im Werk von Julia Belot dar. Wirkt der Farbauftrag in diesen Arbeiten noch etwas kompakt und steif, wird er in den Blumenbildern und Landschaften immer freier und lichtdurchfluteter.

Die starke Verdünnung der Ölfarbe mit Leinöl schafft weiche, fließende Übergänge und lässt die Farben frisch und satt aussehen. Matte und glänzende Partien wechseln sich ab und erzeugen eine lebendige Oberfläche. Duftig, locker setzt sie einzelne Pinselstriche nebeneinander. Jeder Bildgegenstand scheint sich auf diese Weise in Farbe aufzulösen und verschmilzt mit seiner Umgebung zu einem harmonischen Gesamteindruck. Julia Belot fasst Natur als eine ganz und gar farbige Erscheinung auf. Alles ist Farbe, ob Licht oder Schatten. In diesem Sinne muten Belots Arbeiten sehr impressionistisch an. Vor allem ihre  Blumenbilder zeugen von der Flüchtigkeit des Augenblicks. Fingerhüte wiegen sich im leichten Wind, Nachtkerzen erblühen in der Abenddämmerung und das aufglühende Rot der Tageslilien wetteifert mit dem Grün der Blätter um die Wette. Alles umgibt ein flirrendes Licht, das die Flüchtigkeit der Bewegung einzufangen weiß. Die Wahl des Bildausschnitts lässt die Blumenbilder und Landschaften als Teil eines Ganzen erscheinen, an dem wir als Betrachter unmittelbar teilhaben können.

Immer geht es Julia Belot aber auch darum, einen Moment festzuhalten, an dem das Wesen des Dargestellten am stärksten zum  Ausdruck kommt. Dem lesenden, in sich versunkenen Jungen ihrem Sohn André  stellt sie einen ruhenden Bären zur Seite. Ein auf den ersten Blick befremdlicher Kunstgriff. Aber gerade in ihm spiegelt  sich das Wesen des Jungen wieder: seine Unschuld und Unvoreingenommenheit dem gefährlichen Raubtier gegenüber, aber auch seine totale Versunkenheit, die auch die drohende Gefahr nicht zu stören vermag. Nicht anders bei dem kleinen Mädchen, dass von zwei Wölfen flankiert wird, die entspannt aber dennoch aufmerksam ihr Tun beobachten. Auf einem anderen Bild sitzt sie wie ein kleines Äffchen inmitten einer Schar von Vögeln, die ihr munteres, bewegliches Wesen unterstreichen.

All diese ungewöhnlichen Kinderporträts bringen das kindliche Einssein mit der Natur, das sich Wohlfühlen und Ganz-bei-sich-Sein zum Ausdruck. Paradiesische Zustände von denen sich die meisten von uns wohl entfernt haben. Julia Belot hat sich eine Menge von diesen kindlichen Eigenschaften bewahrt. Sie zeigt uns in ihren eigenwilligen, authentischen Bildern, dass das Paradies im Hier und Jetzt liegt, man muss es nur wahrnehmen wollen.

Ein Blick in diese Ausstellung kann ein Anfang sein.

Gemälde von Julia Belot: Spannendes Buch, Öl auf Leinwand, 120 cm x 160 cm, 2008